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Positive Schulentwicklung – Flourishing SE

Im Zusammenhang mit Erkenntnissen aus der Positiven Psychologie entwickelte Prof. Dr. Ulrike Lichtinger als Professorin für Schulentwicklung ab 2017 in Vorarlberg/Österreich zusammen mit ihrem Team an der Pädagogischen Hochschule den Ansatz der Positiven Schulentwicklung (POSE) – Flourishing SE, die den Gedanken des Wohlbefindens ins Zentrum aller Schulentwicklungsprozesse rückt. Bekannte Schulentwicklungsmodelle wie das Mehrebenenmodell von Creemers und Kyriakides (2010), das Drei-Wege-Modell nach Rolff (2016) sowie das PERMA-Modell nach Seligmann (2011) – fließen dabei in dieses Konzept ein. 

Was ist Flourishing SE?

POSE – Der Begriff verdeutlicht bereits den Grundgedanken: Die Verbindung von Gedanken aus der Positiven Psychologie (PO) mit denen aus der Schulentwicklungsforschung (SE). Mit dem Begriff Flourishing SE ist das Konzept einer Positiven Schulentwicklung gemeint. Deren Ziel ist es, „Interventionen zu entwickeln, einzusetzen und zu evaluieren, die der Förderung einer positiven, stärkenorientierten Schule (Positive Education) dienen und den Menschen im System der Einzelschule Aufblühen ermöglichen.“ (Lichtinger/Rigger, 2022, S. 8)

Wohlbefinden und generell die positive Einstellung gegenüber Schulentwicklungsprozessen (vgl. Lichtinger, 2022, S.12)  sind damit Ausgangspunkt und Zielsetzung zugleich. Flourishing SE

  • geht von den Stärken der Beteiligten – v. a. der Schulleitungsmitglieder, des Kollegiums sowie der Schülerinnen und Schüler – aus;
  • unterstützt einen systematischen, strukturierten Prozess, der Stärken für sich nutzt;
  • hält Interventionsbausteine bereit, die für diesen Prozess hilfreich sind;
  • baut gedanklich auf das PERMA-Modell nach Seligmann auf; 
  • geht von einem dynamischen Mindset aus;
  • gibt in vier Ebenen Aufschluss über Handlungsfelder an einer Schule (Schulebene, Teamebene, Unterrichts-, Lernebene)

Als Schlüsselfaktoren einer POSE werden genannt:

  • Autonomien der Akteurinnen und Akteure sowie Unterstützung von außen: Sinn erleben, Selbstwirksamkeit erfahren, Unterstützung freiwillig erhalten;
  • Positive Leadership der Leitung: Handeln mit Blick auf das Wohl der Mitarbeitenden im Sinne einer partizipativen Führung, um Produktivität / Leistung zu ermöglichen;
  • Pilotierung von Bildungspraxis: Fehler als Helfer erkennen, die Entwicklungen nicht beeinträchtigen, sondern voranbringen. In diesem Sinne sollte eine No-blame-Approach-Kultur gerade in der Schullandschaft akzeptiert und etabliert werden.
  • Visionäre Prozesse mit Zielhierarchien und Evaluation: Gedanken des Qualitätskreislaufes aufnehmen und als Chance begreifen.
  • Wohlbefinden mit PERMA: vgl. PERMA-Modell
Zu näheren Ausführungen der Schlüsselfaktoren siehe: Lichtinger, U. (2022): Positive Schulentwicklung, Kap. 2.6.

Prof. Michaela Brohm-Badry vertritt die Überzeugung, dass nicht das physikalisch-ökonomische Leistungsparadigma, d. h. Leistung = Arbeit / Zeit, das Entscheidende ist, sondern die Blickrichtung auf Selbstreflexion und individuelle Gütemaßstäbe.

Dementsprechend kommt Sie zu einem neuen Verständnis von Leistung, dem sogenannten humanistischen Leistungsparadigma, das besagt: Leistung ist Arbeit mal Wohlbefinden durch Zeit. Denn: Lernende können dann besser leisten, wenn sie Wohlbefinden spüren und zugleich erhöht sich das Wohlbefinden dann, wenn  sie angemessene Leistungen erzielen können.

Genauere Ausführungen hierzu unter: 

  • Brohm-Badry, M. (Universität Trier), Berend, B. (Universität Trier) (2017): Positive Psychologie: Grundlagen, Geschichte, Elemente, Zukunft. Datum der Veröffentlichung: 11/2017, als PDF abrufbar unter: Grundlagen_Positive_Psychologie_01.pdf (uni-trier.de)
  • Lichtinger, U. / Rigger, U. (2022): Schule wird gelingen mit Flourishing SE, Hürth, siehe S. 4.

Dem PERMA-Modell liegen fünf Faktoren für Wohlbefinden zugrunde: 

 

Positive Emotionen:

als Ausgangspunkt für ein nachhaltiges Lernen und Leisten (siehe auch Broaden-and-build-Theorie). 

Bezogen auf SE: Geht die Schulgemeinschaft mit positiven Emotionen an Schulentwicklungsprozesse heran, so bestehen gute Chancen, Veränderungsprozesse wirksam in Gang zu setzen bzw. umzusetzen. 


Engagement:

„E wie Engagement ist eng mit Flow-Erleben verbunden“ (Lichtinger, 2022, S. 21) – Eine positive Grundstimmung, das Gefühl, zu wissen, was grob zu tun ist und sich fähig bzw. befähigt fühlen, zu agieren – treffen diese Aspekte zu, so kann es dazu führen, dass das Herangehen an eine Aufgabe / Arbeit zu einem richtigen Flow führt. Dabei „handelt es sich um einen Zustand und ein Gefühl des Menschen, bei dem er völlig in einer Tätigkeit aufgeht, die herausfordernd ist und trotzdem optimal gelingt“ (Zitiert aus Informationstext Prof. Dr. Mihaly Csikszentmihalyi)

Bezogen auf SE: Welche Stärken und Potentiale hat eine Schule, ein Kollegium, die Schülerschaft etc.? Positive Schulentwicklung nutzt die Stärken, die vorhanden sind, um daraus Potenzial für Neues zu schaffen (vgl. Lichtinger, 2022, S. 23).  

 

Relations: Positive Beziehungen stärken. „Einer für alle – alle für einen“, „Gemeinsam sind wir stark“ – diese allseits bekannten Sinnsprüche beinhalten einen wesentlichen Kern: Kooperation, Kommunikation sind Erfolgsschlüssel, gerade auch für Schulentwicklungsprozesse (vgl. dazu  auch das Modell der gesunden Beziehungen nach Gottman, J.: Sound Relationship House)

Bezogen auf Schulentwicklung: Hier nennt Prof. Lichtinger die drei Prinzipien Augenhöhe, Ownership und Empowerment als zentral für ein erfolgreiches Miteinander im Schulentwicklungsprozess und bezieht dies gerade auch auf die Beziehung zwischen Schulleitung und Schulentwicklungsbegleitung (vgl. Lichtinger, 2022, S. 26f)

 

Meaning / Sinn: Warum machen wir das? Für uns selbst, für andere, für nahestehende Personen, für Kolleginnen und Kollegen, für unser Schülerinnen und Schüler, für die Schulgemeinschaft, für ein System etc.? Sinnfindung bzw. Sinnstiftung sind wesentliche Aspekte, um Akzeptanz für Arbeitsprozesse zu schaffen, um ein gemeinsames Handeln zu initiieren, das nicht nur eine Eintagsfliege ist, sondern längerfristig angelegt ist. … weil es sinnvoll erscheint! 

Bezogen auf Schulentwicklung: Wo stehen wir, wo wollen wir hin? Die gemeinsame Sinnfrage ist Ausgangspunkt von Schulentwicklungsprozessen. Dabei sollten die Sichtweisen der verschiedenen Mitglieder einer Schulgemeinschaft gehört und berücksichtigt werden. 

 

Accomplishment / Zielerreichung: Ähnlich wie im Mensch-ärgere-dich-nicht-Spiel ist es auch bei Schulentwicklungsprozessen frustrierend, wenn man immer mit ein und derselben Sache immer wieder von vorne beginnt und nie sein Ziel erreicht. Daher ist der Gedanke der Zielerreichung, des Gelingens, des Abschließendes oder Erfolges wichtig für alle Beteiligten. Für die Positive Schulentwicklung gibt es eine „Zielarchitektur“, eine „Zielhierarchie […], die sowohl das Aufblühen der Einrichtung als auch der Menschen im System befördert“ (Lichtinger, 2022, S. 32).

Bezogen auf Schulentwicklung: Wie im Qualitätskreislauf dargestellt, sind Schulentwicklungsprozesse ein Kreislauf, der immer weiter geht, aber: es gibt Etappen, in denen ein Ziel erreicht ist und das Nachdenken über neue Ziele /Maßnahmen beginnt.  


Diesen fünf Punkten fügt Prof. Lichtinger noch den Faktor der „Positiven Gesundheit“ hinzu.

Die einzelnen Phasen des siebenstufigen PERMAchange Prozesses lassen sich mit den Phasen des PDCA-Zyklus als auch mit denen des Qualtätskreislaufes verbinden:

 

Planen

  • Auftakt: Beziehungsaufbau und Analyse: Ist-Stand-Analyse (Kontaktaufnahme, Vorgespräch SL, Vorgespräch Steuergruppe/LP, Gespräch SL und ST)
  •  Information zur POSE an Kollegium (Konzept, Prozess, Rollen, Kommunikation)
  • Zielfindung (über Vision und Zielhierarchie)
  • Planung (Aufsetzen des Prozesses im Sinne des Prozessmanagements)

Durchführen

Durchführung (Arbeit in AGs mit Unterstützung durch Steuergruppen und regelmäßigem Austausch mit SL, SE als etablierter Tagesordnungspunkt bei Konferenzen)

Überprüfen

 

Evaluation (u. a. interne Evaluation als Moment des Innehaltens, Reflektieren; als Ausgangspunkt für weitere Prozessplanungen, vgl. auch Qualitätskreislauf; wichtig: Ergebnisse der Evaluation dienen nicht der Datenproduktion, sondern der Arbeit mit den Daten, dem Auswerten der Ergebnisse, Reflektieren, Nachjustieren, Neuausrichten)

Schlussfolgern

Schlussfolgerungen (neue Ziele) – Würdigung von Ergebnissen, Auftakt zu Neuem

Nähere Ausführungen unter: Lichtinger (2022): Positive Schulentwicklung, Kapitel 3.

Im Kontext der positiven Schulentwicklung werden u. a. Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für Schulentwicklungsprozesse an Realschulen (KOMPASS) sowie Grund-, Mittel- und Förderschulen, hier mit Fokus auf Inklusion (BiUSe), ausgebildet.  

Eine Handreichung zu INPOSE, d. h. zu Inklusiver Positiver Schulentwicklung ist im Herbst 2023 auf der ISB-Homepage neu erschienen.

Ungekürzter Teaser von Prof. Ulrike Lichtinger zur E-Session mit den Preisträgerschulen des isi DIGITAL 2023. Titel: „Positive Bildung als Voraussetzung für erfolgreiche Schulentwicklung“, eingestellt auf YOUTUBE am 20. Juni 2023. Abrufbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=eAhtvDVBpzE&ab_channel=StiftungBildungspaktBayern

Literaturhinweise:

Lichtinger, U. (2023): Positive Bildung. Essentials. Springer Gabler.

Lichtinger, U. (2022): Positive Schulentwicklung. Essentials. Springer Gabler.

Lichtinger, U./Rigger, U. (2022): Schule wird gelingen mit Flourishing SE. Das Praxisbuch der Positiven Schulentwicklung. Carl Link.